DIALOG 15
Pierre Boulez
Troisième Sonate pour piano (1955-57)
Magdalena Buchwald
Neues Werk (Uraufführung)

03.04.2006
20.00 Uhr

 
   
zurück  Jürgen Kruse: Piano

Bis zum heutigen Tage unvollendet, bleibt die Dritte Sonate, begonnen 1955, ein riesiges Programm, auf dem Soloinstrument die formalen Konsequenzen aus dem sich auf alles beziehenden Seriallismus zu ziehen: eine Form, deren Komponenten nicht sämtlich endgültig fixiert sein sollten, sondern die dem Interpreten einen Bereich der individuellen Initiative einräumen würde, selber in den Gang der Realisation einzugreifen.
Ursprünglich sollte die Dritte Sonate aus fünf „Formanten“ bestehen – diesen Neologismus führte Boulez 1953 ein: eine dem Bereich der akustischen Bereich entlehnte Metapher, um die Differenz gegenüber dem hergebrachten formalen Denken zu markieren, in dem von Sätzen die Rede ist, und stattdessen zu suggerieren, dass so wie die Klangfarbe aus dem Aufbau ihrer Partialtöne resultiert, nun die Form des Werkes aus der stets erneuerten Entfaltung von Komponenten hervorgehen soll, die von ein und derselben Ausgangsstruktur abgeleitet sind. Infolgedessen ist die Reihenfolge der Formanten, im Gegensatz zur zeitlichen Festlegung der Sätze einer klassischen Sonate, relativ geworden, ohne in den Optionspragmatismus der barocken Suite zurückzufallen. Ähnlich vielmehr einer Arabeske, welche die Struktur eines Akkordes ausfiguriert, ordnen sich die Formanten in ihren Wechselseitigen Verhältnissen entsprechend der Funktion, die ihnen ihre Ausgangstruktur aufnötigt.
Von den fünf ursprünglich vorgesehenen Formanten (Antiphonie, Trope, Constellation, Strophe, Séquence) wurden bislang nur zwei in den Druck gegeben: Trope und Constellation (in Rückläufiger Form Miroir). Ihre formale Anordnung war so konzipiert, dass die Reihenfolge zirkulär, um das Mittelstück Constellatoin/Miroir kreisend, austauschbar ist.
Instrumentaltechnisch treibt Constellation/Miroir die Bemühung um das Spezifische der akustischen Charakteristiken des Klaviers zum Äußersten. Über den strukturellen Gebrauch der Register und Anschlagsarten hinaus gilt das Hauptinteresse den Resonanzen und Obertönen, die mit Hilfe stumm niedergedrückter Tasten den sympathetisch mitschwingenden Seiten entlockt wird. So kommt es diesseits und jenseits der isolierten Punkte bald zu einer Entfaltung der Klangblöcke in Konfigurationen aus immer stoffreicheren Arpeggi, bald zum Innenleben von Klangeinheiten durch einfache Verrückung ihrer internen Komponenten, sobald ihre eigenen harmonischen Resonanzen hervortreten.

Die polnische Komponistin Magdalena Buchwald wurde 1972 in Zlotow geboren. 1992 begann sie ein Musikwissenschaftsstudium an der Universität Posen, dem sich 1993 bis 1999 ein Kompositionsstudium an der Hochschule für Musik Posen bei Andrzej Koszewski und Lidia Zielinska anschloss. Parallel dazu studierte sie 1997/98 Musiktheorie und Neue Medien an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart (bei Matthias Hermann und Helmut Lachenmann Analyse, bei Ulrich Süße und David Mason elektronische Musik). Zwischen 2001 und 2004 schloss sich daran ein Aufbaustudium an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst bei Isabel Mundry und Jörg Birkenkötter an. Magdalena Buchwald lebt als freie Komponistin in Frankfurt. Ihre Musik wird regelmäßig in Polen, Frankreich und Deutschland aufgeführt.