Pressestimmen
 
   
MAX/MSP/JITTER WORKSHOP

Pressestimmen zum Workshop vom 11. bis 16.04.2005
 
 
zurück    Das Forum Neues Musiktheater (FNM) versteht sich nicht nur als Präsentationsort von experimentellen Aufführungen, sondern auch wesentlich als Labor für die Vermittlung und Erprobung neuer Technologien. Dazu dient auch der „Max/MSP/Jitter“-Workshop, welcher in dieser Woche im Cannstatter Römerkastell stattfindet. Eine „Live VJ & DJ Performance Lounge“ heute Abend und das „Reihe“-Konzert von Laetitia Sonami morgen ergänzen das Programm. Andreas Breitscheid, der künstlerische Leiter des FNM, bezeichnet die im Workshop verwendete interaktive Audio- und Video-Software als „objektbasierte Programmiersprache“. Gegenüber der vor Jahren im Pariser IRCAM entwickelten Steuersoftware zur Erzeugung von elektronischen Klängen ist die fortgeschrittene Technik um einiges benutzerfreundlicher und vielseitiger. Bei einer der letzten Produktionen des FNM zum Beispiel konnten die Schatten der Tänzer in Delusions in Echtzeit „prozessiert“ werden, bei Last Desire wurde die Figur des Jochanaan auf einer 1000-Glühbirnen-Wand animiert. (…)
Hoch komplexe Klangstrukturen lassen sich ebenso herstellen wie Stimmen von Sängern oder Bewegungen von Tänzern analysieren und digitalisiert live verfremden. In einem Projekt mit dem Choreographen William Forsythe zum Beispiel wird derzeit ein Stück entwickelt, in dem die Tänzer durch ihre Körper spezifische Klänge und musikalischen Verläufe hervorbringen. „I always wanted the dancers to be their own instruments“, begrüßt Forsythe diese neue Identität von Tanz und Musik. Doch erlaubt die Software auch sogenannte Outer Generating Structures: Das Programm arbeitet mit einer sich selbst erweiternden Syntax, die auf Wahrscheinlichkeitseingaben aufbaut und die musikalischen oder visuellen Strukturen dann quasi selbständig weiter komponiert.
Jeremy Bernstein, einer der Dozenten des Workshops, sieht den virtuellen Raum der Video- und Klanginstallationen als ästhetische Erweiterung der realen Raumerfahrung des Zuschauers. Dennoch sei die Software mehr Werkzeug als Partner im kreativen Prozess. „Was das System produziert, hängt davon ab, was man ihm eingibt“, relativiert er die potenzielle Originalität computergesteuerter Prozesse. Dennoch ist Bernstein öfters überrascht über die Ergebnisse, wobei er auch mit „unkontrolliertem Input“ den Wahrscheinlichkeitsfaktor bewusst ins Spiel bringt. Für Manuel Poletti, einen der Software-Experten des FNM, ist die Herstellung möglichst komplexer Programme ein Anreiz für den kreativen Künstler der Gegenwart. Ob sich die Ästhetik des neuen Musiktheaters dadurch radikal verändert oder der Live-Musiker auch weiterhin eine wichtige Rolle spielt, hängt jedoch vom jeweiligen Interesse des Komponisten und von dessen Offenheit für die neue Technik ab.
Cannstatter Zeitung