William Forsythe & The Forsyhte Company
YOU MADE ME A MONSTER

Performance-Installation

13.01.2006
19.00 und 21.00 Uhr

14.01.2006
17.00, 19.00 und 21.00 Uhr

 
   
zurück  Regie: William Forsythe
Performers: David Kern, Nicole Peisl, Christopher Roman
Video: Philip Bußmann
Sound: Hubert Machnik
Technik, Licht: Michael Wagner
Koordination: Julian Richter
Stage-Management: Marion Rossi
Dauer: 50 min.

Voice-Treatment / DSP-Programming in Kooperation mit dem Forum Neues Musiktheater der Staatsoper Stuttgart, Andreas Breitscheid / Manuel Poletti

Für Kinder ab 12 Jahren.

Mit seinem neuen Projekt You made me a Monster bewegt sich William Forsythe zwischen Installation, Performance und Klang-Environment.

„Vielgestaltige, groteske skelettartige Gebilde, die von Zuschauern wie Darstellern gleichermaßen konstruiert wurden, füllen den Performance-Raum. Diese Gebilde dienen als Partitur, die die verfremdeten Stimmen der Darsteller durch eine komplexe, rasch aufsteigende Matrix der Trauer führt“.
William Forsythe

Eine Produktion von The Forsythe Company in Koproduktion mit La Biennale di Venezia und Tanz im August, Berlin. Mit Unterstützung des Siemens Arts Program.

Im Rahmen des Forschungsprojektes William Forsythe & Forum Neues Musiktheater

„I always wanted the dancers to be their own instrument“
William Forsythe

Das Forum entwickelt für aktuelle Produktionen der Forsythe Company neue Anwendungen von Technologien zur Klangerzeugung und -bearbeitung, die es dem Tänzer ermöglichen, in Echtzeit eine Interaktion von Bewegung, Sprache, Gesang und elektronischen Klängen zu erzeugen. Teile dieser Arbeit waren erstmalig in der Produktion Three Atmospheric Studies von William Forsythe and The Forsythe Company zu sehen. Exemplarisch für die Arbeitsergebnisse präsentiert das Forum Neues Musiktheater im Januar 2006 die Performance-Installation You made me a Monster in fünf Vorstellungen.

» YOU MADE ME A MONSTER Fotos
» YOU MADE ME A MONSTER Pressestimmen
» THE FORSYTHE COMPANY Homepage
» FORSCHUNGSPROJEKT WILLIAM FORSYTHE & FNM Detailinformationen
» FORSCHUNGSPROJEKT WILLIAM FORSYTHE & FNM Fotos
» FORUM ATELIER WILLIAM FORSYTHE Pressestimmen
» FORUM ATELIER WILLIAM FORSYTHE Fotos

Pressestimmen zur Uraufführung von You made me a monster
am 28. Mai 2005 bei der Biennale Venedig

EL PAIS
BEEINDRUCKENDE ERSTAUFFÜHRUNG VON WILLIAM FORSYTHE IN VENEDIG

Die Geschichte ist leidvoll (die Agonie und der Tod seiner ersten Frau nach einem Krebstumor); die Ästhetik von You made me a monster manifestiert sich in der Gesamtheit bestimmter Momente, Risiken und Wirkungen, die das umgebaute Theater Arsenale in eine Art von imaginärem und surrealem paläontologischem Raum verwandelt. Nur 70 Zuschauer in jeder Vorstellung, und vier Vorstellungen an jedem Tag. Es dauert jeweils eine Stunde. Eine große unscharfe Leinwand mit Bildern, die Röntgenbilder sein können, schmerzender Körper, Gehirn auf der Suche nach Orientierung und Trost; auf dieser verzweifelten und monochromen Wolke ein langer und schmerzvoller Text von Forsythe, der beginnt mit "Meine Frau blutete seit Monaten..." und endet "Sie war ein Vorbild im Schmerz".
Dazwischen wird erzählt, wie sie durch ärztliches Unverständnis ungerecht in Agonie geworfen wird (die Ärztin beschuldigte den Tanz für ihre Schwächung, ihren Sturz). Das alles wird nicht erklärt, man erlebt es innerhalb einer sich ändernden Installation, in der auf mehreren Tischen Modelle des menschlichen Skeletts aus Pappe aufgebaut werden, ohne dabei die realen Gegebenheiten zu beachten. Es wurden Monster erschaffen, die an Dinosaurier, Fische, fliegende Wesen erinnern. Forsythe erzählt weiter, wie seine Frau sich zu biegen begann, nicht mehr gerade sein konnte. Und drei Tänzer, eine Frau und zwei Männer, ohne Kleidung, ohne Schminke, bar jeden Blendwerks, bewegen sich krampfartig zwischen Publikum und Tischen, beklagen sich, lassen wortlos Klagen entweichen. Die Musik besteht aus einer Abfolge von Zusammenstößen, säuerlichen und verletzenden Sequenzen, die sich im Lichte überhäufen, grausam, wie jene hoffnungslose Erzählung.
Erstaunen der Kritik

Diese Drehung um viele Grade zu den visuellen Künsten, die Performance, die Installation oder wie immer man sie nennen möchte, lässt die gesammelte internationale Kritik mit vor Staunen offenem Mund, Bewunderung und gleich viele Fragen wie Applaus zurück. Der einflussreichste Choreograf der letzten 15 Jahre zerreißt seine Erfolgskarte und erteilt uns eine Lektion, bei der sich Bescheidenheit und Entschlossenheit, nach vorne zu gehen, die Hand reichen. Er entehrt den Tanz, weil er ihn liebt; er berührt den Boden, sorgt für eine Katharsis, um eine unbekannte Poesie freizusetzen, aus stiller Sehnsucht und mysteriösen Tunneln.
Der nordamerikanische Choreograf, der sich mit seiner neuen Kompanie in Frankfurt und Dresden etabliert hat, lächelte nicht. Aber sein Gesicht spiegelte eine gewisse Ruhe wider: Nach Jahren, in denen er diese Last in sich trug, konnte er die nötige Distanz entwickeln und hat sich ihrer bedient, um ein außergewöhnliches Werk zu schaffen. Gillo Dorfles, der altehrwürdige Professor von 95 Jahren bezog sich in seiner gestrigen Stellungnahme auf der Biennale ausführlich auf diesen Hand- und Seelenstreich von Forsythe: "Wir müssen das, was wir gesehen haben, mit großer Ernsthaftigkeit beachten. Es ist ein Wechsel und eine Antwort auf die Kunst von heute und zeigt, dass der Tanz, der Körper, weiterhin alle interessiert". Die Verschmelzung der Agonie der Leinwand, der Verlust der Hoffnung und des Bewusstseins machen aus You made me a monster ein Fresko aus frecher und potenter Lyrik.
(Roger Salas)
© EL PAIS

LE MONDE
WILLIAM FORSYTHE PRÄSENTIERT DAS LEID IN AVIGNON
Der Schrei, der die von dem Choreograf William Forsythe für drei Tänzer geschaffene Videoperformance You Made Me a Monster beinhaltet, hinterlässt widersprüchliche Resonanzen in den Köpfen der Betrachter. Diese aus Hass, aber auch aus Ohnmachtgefühl gemischte Anklage lässt erschauern.
Worum geht es? Um die 1995 an Krebs verstorbene Frau von William Forsythe. Ein Thema, das man mit der Pinzette anfassen sollte. Die spektakuläre, übertrieben dargestellte Offenbarung eines intimen Ereignisses mit den dazu gehörenden emotionsbeladenen Collagen muss mit Schnüren geheilt werden.
William Forsythe entwickelte einen einfachen und anspruchsvollen multimedialen Vorschlag. Die Schönheit dieser bildenden Kunst zieht – wie ein Bogen – die Seile zwischen dem Todeskampf seiner Frau und dem Tod überhaupt. Während leidvolle Schreie den Raum zerfetzen, nimmt das Publikum in der Sporthalle Saint-Vincent-de-Paul am elf mit langen Metallstangen ausgestatteten Tischen platz. Auf diesen liegen beige Blätter aus Pappkarton, die Knochen aus dem menschlichen Körper darstellen: Jeder kann eine Form schneiden, sie biegen und an den Stangen aufhängen. Aus dieser kleinen Werkstatt entstehen unglaubliche Kreaturen mit sowohl fantastischen als auch monsterhaften Anatomien. Zugleich werden alle Betrachter in ein und derselben Rekonstruktionsgeste eines zerstückelten Wesens zusammengesetzt.
Die Tänzer können dann losgehen und sich zwischen den Tischen durchschlängeln, um diesen durch die Krankheit unkontrollierten Körper zu inkarnieren, den die Spasmen Tag für Tag von dem Menschlichen abtrennen. Unter den schonungslosen Äußerungen des Krebses regen sich die Zellen, das Skelett zittert, die Haut bebt, die Züge verzerren sich. In widersprüchlicher Weise zeigt sich die Performance als beruhigend, selbst wenn sie störend wirkt. Denn obwohl William Forsythe in einem auf eine Großleinwand projizierten Text die Krankheit seiner Frau – im Übrigen einer unvergleichbaren Tänzerin – erwähnt, wird die Intensität, mit der sie sich am Leben wie an ihrem Geste auf der Bühne festhielt hervorgehoben. Dieser makabre Tanz ist wie von einem immensen Schluchzen geschlagen. Dieser Tanz, diese vibrierende Wehklage über den Verlust eines sich selbst entfremdenden Wesens rekonstruiert das, was die Krankheit auseinander gebracht hatte. Sie erteilt diesem Wesen eine künstlerische Form.
(Rosita Boisseau)
© LE MONDE

IL MANIFESTO
YOU MADE ME A MONSTER
Eine komplexe Performance-Installation um Liebe, Verlust und Tod von William Forsythe

Welche Beziehung haben wir zum Tod? Sind wir ihm wirklich nie begegnet? In einem geliebten Menschen, einem vertrauten, sich wandelnden, verbiegenden Körper, der sich verändert und uns sein fremdes Gesicht zeigt, das die uns bekannten Züge ohne Rücksicht auf den Schmerz von Innen heraus verzerrt? Fragen die das zentrale Thema der Performance-Installation You made me a monster von William Forsythe sind. Forsythes Stück bot zusammen mit dem hochkarätig besetzten Symposium Body Attack den Auftakt zum Internationalen Festival für zeitgenössischen Tanz auf der Biennale di Venezia, geleitet vom afro-brasilianischen Choreographen Ismael Ivo. Dies war die erste Aufführung der neuen Truppe um Forsythe - The Forsythe Company – in Italien. Die neue Formation hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Beziehung Publikum/ Künstler/ Performance zu analysieren, und dringt dabei fast in die molekulare Feinstruktur vor. Forsythe zeigt einen verzerrten Körper, der nichts beschreibt, sondern dem Publikum eine quälende, neo-expressionistische Klarheit verschafft. Eine nackte Geste, bei der die dezentralisierte Bewegung durch eine zerreißende Intimität geprägt ist, die sowohl Zuschauer als auch Akteure gleichzeitig in die Charge nimmt.
Forsythe höchstpersönlich versammelt das Publikum auf der kleinen Treppe der Bühne des Teatro Piccolo Arsenale. Die Zuschauer stehen um Tische, auf denen große Kartonstücke liegen. Sie bilden Teil eines menschlichen Skeletts und lassen sich wie bei einem Spiel für Kinder durch leichten Druck aus dem Karton herausdrücken. Alle machen mit und wir hängen unsere Teile an das Eisengerüst über den Tischen. Wer die Show noch nicht kennt, wird plötzlich durch einen Text, der über einen Videobildschirm (Bilder von Philip Bußmann) läuft, aus seiner Sorglosigkeit gerissen – einer Sorglosigkeit des noch Unwissenden, wie man so oft im Leben erst im Nachhinein feststellt. Wir halten inne, machen Notizen. Jemand teilt den Text aus, der mit folgenden Worten beginnt: „Meine Frau litt seit Monaten an Blutungen…“. Der Tanz inmitten der Zuschauer setzt ein. Die Tänzer, zwei Männer (Christopher Roman; David Kern) und eine Frau (Nicole Peisl) bieten ein Füllhorn an Gefühl und Ästhetik. Der angezeigte Text erzählt die Geschichte von Tracy-Kai Maler, der Frau von Forsythe, die 1994 an Krebs verstarb. Zu dieser Zeit analysierte die Company gerade Ausschnitte aus dem Film Aliens und reflektierte dabei im Körper der Xenophobie über deren zerstörerische Bedeutung. Die Geschichte geht weiter. Wir lesen, welch seltsames Weihnachtsgeschenk der Frau von Forsythe zwei Monate vor ihrem Tod gemacht wurde: ein großes Pappmodell eines menschlichen Skeletts. Forsythe nimmt das Geschenk nach Jahren wieder in die Hand und setzt es ohne Gebrauchsanleitung wild durcheinander zusammen. Er baut ein Monster, ein Modell des Schmerzes, wie wir Unwissende es gebaut haben, als wir mit den Pappstücken spielten. Es ist wie ein Schlag in die Magengrube, plötzliches Verstehen und unsere Sorglosigkeit liegt vor uns auf den Tischen, um alleine weiterzuspielen.
Und der Tanz? Die drei Interpreten werden von den Klängen Dietrich Krügers begleitet, die von hektischen klagenden Vokalen erfüllt sind. Wir sind vom Schmerz eines durchtrainierten Körpers, der trotz des Todeskampfes tanzt, wie gefesselt. Die Gesten sind in der Dehnung gekrümmt, der Blick überdreht, das Gesicht verzerrt und der Mund offen wie in Munchs Gemälde. Auf der Leinwand erscheinen unscharfe Flecken in Schwarz und Weiß: Ultraschallbilder des zerstörten Körpers, der zum Monster wurde. Wir legen die Skelettteile, die wir gedankenlos noch in den Händen hatten wieder auf den Tisch zurück: Reliquien, die wie Blumen für die Verstorbenen wirken. Blumen für Verstorbene, die wir kannten, und all die uns Unbekannten. Gleichzeitig kann man unter den Zuschauern das ein oder andere exorzistische Lächeln beobachten, das besagt: das ist nicht meine Geschichte, das betrifft mich nicht. Jeder der Anwesenden verarbeitet das gerade Gesehene auf seine Weise. Forsythe bedankt und verabschiedet sich. Dem Tod ins Antlitz geblickt, ihn akzeptiert und verarbeitet, doch das Warum…weil er Teil unseres Lebens ist. Der Choreograph verlässt die Bühne. Bravo Forsythe.
(Francesca Pedroni)
© IL MANIFESTO